Lange Zeit hat der M.A.N. Kurzhauber neben den begehrteren Modellen jener Epoche wie den Pritschen-LKW von Magirus (S 3500 und Sirius) und Mercedes (L 5000, L 3500 und L 1413) eher
ein Schattendasein geführt, mittlerweile rückt er jedoch stärker in den Fokus des Wiking-Sammlers. Grund genug, ihn
einmal näher zu betrachten, steht seine Form- und Farbvielfalt doch den anderen genannten Modellen in Nichts nach:
27 Varianten kennt das "Handbuch der alten Modelle" von C. Saure, der "Gelbe Katalog" kommt sogar auf 34
in Form oder Farbe unterschiedliche Modelle.
Mit der Bezeichnung "Kurzhauber" richte ich mich nach der Benennung innerhalb der Wiking-Bildpreislisten. Zwar wurde das Modell in den ersten Jahren
dort noch als "MAN 415" bezeichnet, diese Bezeichnung wurde jedoch in späteren Jahren aufgegeben und durch "MAN Kurzhauber" ersetzt.
Die Herstellerbezeichnung "M.A.N." richtet sich nach der seinerzeit üblichen; die Punkte zwischen den Buchstaben entfielen bei der
Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg erst Jahrzehnte später.
Insgesamt besteht das Modell des M.A.N. Kurzhaubers aus fünf Formteilen (anfangs und später verwendete Planen, die Räder und Achsen sind nicht mitgezählt):
Fahrerhaus, Verglasung, Pritsche, Fahrgestell und dem zum Fahrgestell gehörenden Kardanteil, das als separates Formteil
untergeklebt wurde.
1. Formvariante I (1959 - ?)
Das Fahrerhaus ist mit einem eingesetzten silbernen Grill ausgestattet und auf das Fahrgestell aufgeklebt.
Die vorderen Blinker sind bei der 1. Version des Modells teilweise, allerdings eher selten silbern bemalt. Weiterhin finden sich teilweise auch Bemalungen der Rückleuchten und des hinteren und des vorderen Nummernschildes.
Die erste Formvariante des Modells verfügt zudem über ein Fahrgestell mit langem Auspuff, im Bereich der Hinterachse ist es durchbrochen.
Fahrgestell Variante I
Die verwendete Pritsche ist die Standardpritsche, die auch bei anderen Modellen Verwendung fand, zum Beispiel beim Henschel HS 100. Vielfach finden sich Modelle mit
Pritscheneinlagen, die aber wohl offensichtlich nicht immer verwendet wurden. 1959 wurden die Modelle noch mit der einfachen Normplane ohne Herstellerzeichen ausgeliefert, wie die Bildpreisliste aus diesem Jahr nahelegt, möglicherweise
erklärt dies das Fehlen der Pritscheneinlage bei manchen Modellen.
Der M.A.N. Kurzhauber in Maigrün, wohl eine der häufigsten Farbvarianten bei der Formvariante I. Gut erkennbar ist die silberne Bemalung der vorderen Blinker.
Bei der Farbgebung setzte man auf einfarbige Modelle und Modelle, bei denen das Fahrgestell farbabweichend war. Eher selten finden sich Modelle mit
unterschiedlichen Farben bei dem Fahrerhaus und der Pritsche; in diesen Fällen sind dann allerdings Fahrerhaus und Fahrgestell farbidentisch. Ein einzelnes dreifarbiges Modell
ist bei der ersten Formvariante bekannt und belegt (Fahrerhaus betongrau, Pritsche steingrau, Fahrgestell azurblau),
wegen der allerdings sehr eng beieinander liegenden Farben Steingrau und Betongrau, die Carsten Saure m. E. in diesem Fall zu Unrecht zu Betongrau zusammenführt, wird dieses nur
selten wirklich wahrgenommen.
Weitere gängige Farbvarianten der Version I: Einfarbig betongrau und azurblau/betongrau.
Eher selten: Ein betongraues Modell mit mattgraublauer Pritsche; diese wurde hauptsächlich beim zeitgleich produzierten Henschel HS 100 verbaut.
2. Formvariante II (? - 1965)
Die Variante II unterscheidet sich von der Variante I lediglich durch das Fahrgestell. Vermutlich auf Grund der Tatsache, dass
der lange Auspuff der Variante I bruchgefährdet war, wurde dieser nun deutlich kürzer gestaltet; außerdem ist
das Fahrgestell nun im Bereich der Hinterachse geschlossen. Alle anderen Bauteile blieben unverändert.
Nur durch einen Blick von unten auf das Fahrgestell von der Variante I zu unterscheiden: Der maigrüne Kurzhauber in der 2. Version.
Fahrgestell Variante II
Es ist schon seltsam, dass für beide Formvarianten im Gelben Katalog dieselben Produktionsjahre angegeben werden,
nämlich die Jahre 1959 bis 1965, was bedeuten würde, dass beide Varianten parallel produziert wurden. Dazu hätte es entweder
zweier unterschiedlicher Formen bedurft oder aber zumindest zweier unterschiedlicher Nester innerhalb derselben Spritzgussform. Welchen Sinn
aber sollte dies gemacht haben?
Da die zweite Variante der Fahrgestell-Form eine Verbesserung gegenüber der ersten ist (zumindest mit dem verkürzten Auspuff
wurde eine Schwachstelle der ersten Variante ausgemerzt), nehme ich daher eher an, dass es in dem genannten Zeitraum einen stillen
Variantenwechsel gegeben hat, der ca. 1961/62 stattgefunden haben muss. Dafür spricht unter anderem, dass die detaillierten Räder mit 10-Loch-Felgen vorn ausschließlich
bei den einfarbigen Modellen der Formvariante I anzutreffen sind. Dagegen allerdings spricht, dass sich auch bei den Modellen
der Variante I Standardpritschen mit einteiligem Nummernschild finden - der eigentlich späteren Version der hohen Normpritsche.
Hans-Peter Maerker setzt diesen stillen Variantenwechsel übrigens erst für ca. 1964 an - stimmt dieses, so
würde dies erklären, warum bei der Variante I Pritschen mit zwei- und mit einteiligem Nummernschild existieren.
Auch bei der zweiten Formvariante kamen bei einigen Modellen Pritscheneinlagen zum Einsatz, allerdings ist auch hier wie bei der
Formvariante I keine Systematik erkennbar. Diese Pritscheneinlagen finden sich nicht nur in Silber, wie die einschlägigen
Kataloge angeben, sondern vereinzelt auch in Beige. Man muss allerdings konstatieren, dass sie nicht eingeklebt, sondern nur eingeklemmt sind
und sich durch vorsichtiges Klopfen des kopfstehenden Modells auf die Handfläche leicht entfernen und somit austauschen lassen.
Ab 1965 ist das Modell in den Bildpreislisten wieder mit Plane abgebildet, anzunehmen ist, dass es sich hierbei um die auch einzeln erhältliche
geschlossene Plane mit acht Verriegelungsnieten hinten und der Innenprägung "WM" handelt.
Das gleiche Modell (hier: betongrau/azurblau) mal mit, mal ohne Pritscheneinlage
Bei den Farben dominieren neben Maigrün erneut die Blau- und Grautöne; man findet ein- und zweifarbige
Modelle. Bei Letzteren sind in der Regel Fahrerhaus und Fahrgestell farbgleich.
Betongrau/azurblau: Hier einmal in der seltenen Variante mit Farbgleichheit von Pritsche und Fahrgestell
3. Formvariante III (1966 - 1969)
Bei der dritten Formvariante wurden praktisch alle wesentlichen Bauteile einer Modifikation unterzogen. Auffallendstes Merkmal
dieser Variante ist die neue, 1 mm niedrigere Standardpritsche, die auch bereits bei anderen Modellen Verwendung fand, wie etwa beim Mercedes L 1413.
Alle Modelle wurden nun grundsätzlich mit einer hinten offenen und gerafften Plane ausgeliefert (Innenprägung "WM" plus Formennummer):
Mit einer Ausnahme immer zweifarbig: Bei diesem Modell braunelfenbein(!)/azurblau.
Aber auch das Fahrgestell wurde erneut verändert, man gönnte ihm Rücklichtstangen.
Hinzu kam - neben der von Anfang an bestehenden Bodenprägung "WM" - die zusätzliche Prägung "GERMANY" und "41".
Fahrgestell Variante III
Der vordere Bereich des Fahrgestells wurde zudem oben um Millimeter-Bruchteile verstärkt, wohl um die
Stoßstange anzudeuten. Diese Erhöhung ist mit bloßem Auge kaum auszumachen und zeigt sich eher als gebogene Linie vor dem Fahrerhaus
bei der Aufsicht auf den vorderen Teil des Modells.
Fahrgestell Variante II links, Variante III rechts
Das Fahrerhaus wurde erstmals umgebaut: Haltenasen an der Rückwand sollten wohl für eine einfachere Montage
sorgen, da nun das Verkleben an dieser Stelle entfallen konnte. Bisher nirgendwo dokumentiert ist eine Modifikation der vorderen
Blinker: Der eigentliche Blinker - die mittlere der wohl durch die silberne Bemalung der ersten Modelle oft allesamt als "Zierlinien"
fehlinterpretierten Linien an den vorderen Kotflügeln - wurde nun deutlich stärker als die obere und untere Linie
ausgeführt.
Formänderungen beim Fahrerhaus: Blinker und Haltenasen bei der Formvariante III; links Variante II
Bei den Farben verließ man sich weiterhin auf Blau- und Grautöne. Lediglich bei den in den einschlägigen
Sammlerkatalogen als graubeige bzw. olivgrau bezeichneten Modellen wich man etwas von dieser Linie ab: Diese Modelle sind farblich
eher als braunelfenbein einzustufen, wie eine mehrfache Verifikation auch mit Hilfe von Sammlerkollegen ergab.
Die meisten Farbkombinationen existieren in Farbumkehr; lediglich ein vollständig azurblaues Modell weicht von dieser Regel ab.
Die seltenste Kombination ist achatgrau/betongrau.
Achatgrau/betongrau vs. achatgrau/azurblau
Farbumkehr: Achatgrau/azurblau
Und noch einmal Farbumkehr: Braunelfenbein/azurblau
4. Die Fahrgestellvarianten im Überblick
Die Unterschiede bei den drei Varianten des Kurzhauber-Fahrgestells werden am deutlichsten, wenn man sie noch einmal nebeneinander legt.
Auch sieht man bei der nachstehenden Abbildungen noch einmal sehr gut die Haltenasen des modifizierten Fahrerhauses der Variante III:
Von links nach rechts: Varianten I, II und III
5. Die Planen
Wie bereits erwähnt, wurden die Modelle zu Anfang, dann erst wieder ab 1965 mit Planen ausgeliefert. Hier sind die bereits oben
beschriebenen Varianten noch einmal im Bild gezeigt.
Von links nach rechts: nur 1959, nur 1965 und ab 1966
6. Besondere Modelle
Der M.A.N. Kurzhauber kam fast ausschließlich als Serienmodell zum Verkauf. Bekannt ist noch ein Werbemodell aus dem Hause
Thyssen mit der Aufschrift "Walsum-Kohle", das sich vom maigrünen Serienmodell lediglich durch das Abziehbild unterscheidet:
Ein dankbares Objekt für Fälscher. Gelegentlich auftauchende türkisfarbene Modelle haben ebenfalls das maigrüne Serienmodell
als Basis: Hier sorgte sorgfältiges Baden in Salzsäure für den Farbeffekt. Ein optisch nettes Modell, aber eben
nicht original.